Liebe Leserinnen, liebe Leser,
diesen Zwischentext hätte ich vielleicht an den Anfang setzen sollen, aber wie das so geht im Leben, man macht vieles zum ersten Mal.
Deshalb an dieser Stelle einige Worte in eigener Sache.
Die Menge an Gedanken, die bei mir in den letzten Jahren aufgelaufen sind, mussten geordnet und in eine angemessene Form gebracht werden. Dabei haben sich viele Aspekte erst in der Rückschau ergeben, oder, so sagt man wohl, hinterher ist man immer schlauer.
Ich danke dem Verein für Dorferhaltung und Umweltschutz e.V., dass er mir für die Veröffentlichung den Platz auf seiner Homepage angeboten hat.
Als Stilform habe ich die Kolumne gewählt, weil ein geschlossener Kommentar bei der Fülle an Informationen und Stellungnahmen zu wuchtig daher gekommen wäre.
Die Kolumne bietet dem Autor die Möglichkeit, in gewählter Folge (hier wöchentlich) Sachverhalte kommentierend aus seiner Sicht darzustellen.
Diese Form schien mir nötig, weil ich bisher keine andere Möglichkeit sah, der Öffentlichkeit darzustellen, warum ich mich so intensiv mit diesem Thema beschäftige und zumindest
anzudeuten, welches Ziel ich mit dieser Publikation verbinde. In diesen Aspekten sehe ich mich in Übereinstimmung mit vielen Mitgliedern unserer Bürgerinitiative und sicher auch den meisten Einwohnern Aligses.
Der eine gemeinsame Aspekt ist der Zorn über das Agieren örtlicher Politiker, der wichtigere Aspekt ist für mich persönlich die Sorge, wie ohne Not der Bürger zum Protestbürger wird, weil Politik bei nicht mehr erkennbaren Abgrenzungen zur reinen Interessenpolitik verkommt und nicht mehr erkennbar dem Allgemeinnutzen dient.
Konfrontation könnte eine Folge sein, aber vielleicht ergibt sich am Ende doch ein wenig Verständnis dafür, dass eine große Zahl von Bewohnern unserer Dörfer Aligse, Röddensen und Kolshorn sich so nachhaltig und bisher erfolgreich gegen dieses Monsterprojekt Zentrallogistik Lager gewehrt hat und weiter wehren wird.
So, nun geht es weiter, und weil Pfingsten ist, wird dieser Teil heute ein wenig umfangreicher!
Euer/Ihr Rüdiger Overfeld
3. Das Logistikzentrum und die Auswirkungen auf unsere Dörfer Aligse, Röddensen und Kolshorn
In der Rückschau sieht man vieles, dem man bis dahin kaum Bedeutung beigemessen hatte.
Die Entwicklungen in der Stadtplanung schienen zunächst vernünftig, wie zum Beispiel die Darstellung der Dorfentwicklung im Integrierten-Stadtentwicklungs-Konzept (ISEK):
- Entwicklung der Dörfer
- Schaffung von Wohnraum
- Gewerbeentwicklung im Einklang mit den Bedürfnissen der Bevölkerung
Die reale Politik sah schon anders aus, wurde von den Bewohnern Aligses aber lange mit jedem Schritt zähneknirschend hingenommen:
- die Erschließung für Petzold erfolgte gegen den Widerstand der Bevölkerung
- die versprochenen Schutzmaßnahmen wurden nie gebaut, Nachfragen verloren sich im Nirwana…
- die Ansiedlung von Helma ergab keine Probleme und auch der Pferdemarkt Loesdau wurde akzeptiert.
Dann schien die Zeit – vorbereitet durch passende, zunächst unauffällige Formulierungen in den Flächennutzungsplänen und im Integrierten-Stadt-Entwicklungs-Konzept – reif, den
großen Wurf zu tun.
Im Jahr 2016 wurde beiläufig (siehe oben Punkt 1) die Planung für das Aldi-Logistiklager in die Öffentlichkeit gebracht.
Unklar ist an dieser Stelle, ob Aldi nach diesem Grundstück gefragt hat oder ob die Stadt von sich aus, dieses Grundstück zur Verfügung gestellt hat, obwohl es ja Alternativen gab
(Flächennutzungsplan 2007).
Auf jeden Fall war es ein Glücksfall für die Firma Aldi, ein solches „Sahnestück“ präsentiert zu bekommen.
Selbst als sich die Firma Aldi „verrechnete“ und das Grundstück eigentlich zu klein war für die vorgesehene Nutzung, präsentierten Bauamt und Rat eine kommode Lösung:
Der bisherige Schutzstreifen zum Schutz der Bürger wurde einfach gestrichen – Aldi konnte somit problemlos im gewünschten Rahmen weiter planen.
Auch die Verkehrsanbindung an die A2 von Westen kommend wurde mit einer noch zu planenden Linksabbiegerspur, die bisher als nicht genehmigungsfähig galt, ermöglicht.
Wenn man in Ausschusssitzungen nachfragte wurde einem erklärt, das alles geschehe aus städtebaulichen Gründen!!!
Das war dann das neue Totschlagargument, wenn die Verwaltung keine schlüssigen Begründungen fand:
Städtebauliche Gründe, die im Übrigen nie näher erläutert wurden.
All das spricht für eine allzu starke Bindung zwischen Investor und dem Bauamt als Genehmigungs- aber auch Aufsichtsbehörde im Planungsverfahren.
Es war nicht der bereits abgewählte Bürgermeister alleine, der diese Planungen voranbrachte. Der gesamte Rat stimmte fast einstimmig allen Planungsschritten zu, es gab keine Opposition, die die bangen Mahnungen aus der Bevölkerung hätte einbringen können.
Selbst der Vorsitzende des Rates, Herr Schulz gesellte sich zu denjenigen, die das Aldi-Projekt unbedingt ohne Blick auf sachliche Realitäten durchziehen wollen, als er mich in der Sitzung des Rates am 06.12.2017 mit den Worten zurechtwies: „Herr Overfeld, diese Fragen haben Sie schon fünf Mal gestellt, sie sind alle beantwortet!“
Das war wieder einmal falsch, denn beantwortet sind meine Fragen bis heute nicht.
War das Weisheit, Verbohrtheit, Nichtwissen, Nichtwissen wollen – auf Fragen gab es keine oder unzureichende Antworten!
Schaut man sich die Formulierungen in ISEK an, wird das Bild schon klarer.
Zwar steht im Focus steht immer noch die „Entwicklung der Dörfer“, aber auch hier wird die gewerbliche Entwicklung bereits angedeutet (Tönjeskamp, Aligse).
Während in Ahlten eine etwas behutsamere Entwicklung der Gewerbeflächen vorgenommen wurde, sich mit dem Megahub aber auch hier Probleme abzeichneten, ging die Entwicklung der Siedlungsstruktur weiter: es wurden neue Baugebiete ausgewiesen. Das gleiche passierte in Hämelerwald, Sievershausen, Immensen und in der Kernstadt.
Nur in Aligse, Röddensen und Kolshorn passierte – trotz der super Anbindung an das regionale Verkehrswegenetz – zur Entwicklung der dörflichen Struktur bis auf einige Lückenbebauungen: Nichts.
Auch das Gewerbegebiet Lehrte Nord 3, Aligse wurde trotz der, wie es immer so schön heißt, verkehrsgünstigen Lage kaum weiterentwickelt. Das lässt darauf schließen, dass hier schon längst andere Pläne existierten.
Als Folge änderte sich die dörfliche Struktur zu Ungunsten der Bewohner Aligses:
- der Verkehr auf der Bundesautobahn und der Bundesstraße 443 wurde immer stärker
- die Wartezeiten an der Schranke wurden immer länger
- neue geschlossene Baugebiete wurden nicht ausgewiesen
- Gaststätten wechselten die Betreiber oder wurden ganz geschlossen
- der zentrale Einkaufsladen reduziert sein Angebot
- die schulische Situation wird immer prekärer (keine Neubaugebiete keine Kinder)
- die dörfliche Entwicklung wird ausgebremst, das Gewerbegebiet Lehrte Nord 3 wird jahrelang nicht wie geplant als Gewerbegebiet GE (siehe Bebauungsplan für die Firma Petzold von 2000) weiterentwickelt.
Sehr gut passt in diesen Zusammenhang die Aussage des H. Wiechmann im Herbst 2017, dass man Wohngebiete im Bereich Aligse „Ochsenläger“ allein schon deshalb nicht weiter
entwickele, weil die Entfernungen zum Bahnhof und zur Grundschule/Kindergarten zu weit seien.
Für jemanden, der nach eigener Aussage „ein Mann der Zahlen“ ist, aber von Planungen „keine Ahnung“ hat, eine sehr gewagte Aussage, denn schon als es um die Entfernungen
möglicher Standorte für das geplante Zentrallager ging, haben unsere Politiker gezeigt, wie schlecht sie mit Zahlen umgehen können:
Der Tönjeskamp liege zu dicht an Immensen (Abstand deutlich mehr als 1 km), der Abstand des Gewerbegebietes Lehrte Nord 3 (Automeile) vom Ort Aligse (Abstand 300 m) sei gut zu ertragen und damit zumutbar!
Das alles wurde wohl im Vorgriff für die Planung des Gewerbe/Industriegebietes Lehrte Nord 3/Aligse so vorgegeben, denn eins war den Planern wohl bewusst:
Industrieansiedlung (Logistikzentrum) und Wohngebiete konnten nicht nebeneinander entwickelt werden.
Die Ansiedlung von mittelständischem Gewerbe auf diesem Gelände, war ja nie auch nur im Ansatz geplant. Denn die Interessenten, die nachfragten, wurden schlicht abgewiesen.
Ein weiteres missglücktes Rechenexempel des H. Wiechmann zeigt, der Vergleich mit den Bauplanungen in Ahlten, denn dort wurden Wohngebiete geplant, die deutlich weiter entfernt von Bahnhof und Grundschule sind, als ein potentiell geplantes Wohngebiet Ochsenläger in Aligse es wäre.
Ach so, trotz dieses offensichtlichen Unvermögens, ist H. Wiechmann inzwischen Mitglied des Bauausschusses!
Das alles führt meines Erachtens zu einem Verdruss über ausgeübte Politik. Die SPD macht dafür die verantwortlich, die zunächst nur Informationen und echte Beteiligung an der
Entscheidung wünschten.
Dabei entstanden verbale Konflikte doch vor allem daraus, dass gestellte Fragen nicht beantwortet und gewünschte Beteiligung am Prozess nicht gewährt wurde.
Auch hier wurden – wie bei der Abschätzung Allgemeinnutzen/Privatnutzen – Ursache und Wirkung einfach vertauscht, die Vorteile für den Investor, die Nachteile für die
Dorfbevölkerung.
Ich melde mich wieder am nächsten Freitag.
Bis dahin passen Sie / passt Ihr gut auf Euch auf!
Rüdiger Overfeld